
„Es gibt für mich nichts schöneres als zu sehen, wie du da oben glücklich auf meinen Schultern sitzt. Du hast 2 niedliche Zöpfe rechts und links, in der Hand hältst du einen Lolli und strahlst der Welt entgegen. Ab und zu höre ich wie Du Deine Lieblingslieder singst, die Strophen sind nicht immer in der richtigen Reihenfolge, aber das ist vollkommen egal. Dein ansteckendes Lachen zieht alle Menschen um uns herum in den Bann.
Du bist das Sinnbild von unbeschwerter Leichtigkeit!
Du bist so leicht, dass ich in einem unaufmerksamen Moment nicht merke, wie Du in einem tiefhängenden Ast hängen bleibst. Er hält Dich fest. Ich gehe weiter.
Ich merke nicht, dass du nicht mehr auf meinen Schultern sitzt. Doch irgendwann höre ich Dich schreien. Die Menschen um uns herum können Dich nicht hören, nur ich nehme Deine von tiefem Schmerz durchzogenen Schreie wahr. Ich höre Dich flehen, dass ich zurück kommen soll. Ich höre Dich flehen, dass Du noch viel zu klein bist, um alleine zurück zu bleiben. Du schreist und weinst und flehst ununterbrochen und mir schießen die Tränen in die Augen. Ich halte das nicht mehr aus. Verzweifelt suche ich Dich. Ich sehe Dich nicht. Dein Schreien wird lauter, dein Flehen wir dringlicher! Und dann, endlich, da sitzt du winzig klein unter dem großen Baum. Deine Augen zugequollen. Die Verzweiflung auf der Stirn zu stehen. Ich laufe zu Dir!
Ich nehme Dich in den Arm und halte Dich so fest ich kann. Ich trockene Deine Tränen. Während Du langsam zur Ruhe kommst, erzähle ich Dir mit leiser Stimme, dass Du keine Angst mehr zu haben brauchst. Ich weiß, dass Du in Deinem Leben Dinge erlebt hast, die nicht immer schön waren, aber ich versichere Dir, dass Du jetzt erwachsen bist und dass Du Dein Leben jetzt selber in der Hand hast und dass Dir so etwas nie wieder passieren wird.
Wir sitzen eine ganze Weile zu zweit so da und lassen einfach nur die Ruhe auf uns wirken. Ruhe, Liebe und Geborgenheit ist in diesem Moment das Wichtigste.
Es ist sehr spät, als ich es endlich geschafft habe den Platz unter dem Baum zu verlassen, aber das ist egal. In diesem Moment waren nur wir wichtig und das Gefühl, dass wir wieder Eins sind. Du hast den Platz auf meinen Schultern verlassen und bist wieder ein Teil von mir!
Mein geliebtes inneres Kind!“
Auf der Suche nach Antworten zu den vielen Fragen in meinem Kopf bin ich früh auf die Thematik des inneren Kindes gestoßen. Viele Konflikte die wir im erwachsenen Alter austragen, lassen sich darauf zurückzuführen. Manch einer hat vielleicht ein Problem mit Autoritäten, ein anderer kann keine glücklichen Beziehungen führen und wiederum ein anderer reagiert sofort beleidigt auf Kritik. Man reagiert unbewusst impulsiv aus den Bauch heraus und die Situation verkompliziert sich.
Dies sind oft Verhaltensweisen welche sich in der frühen Kindheit entwickelt und sich im späteren Leben durch diverse negative Erfahrung intensiviert haben.
Wir befinden uns heute glücklicherweise in einer Zeit, in der dieses Thema bereits umfassend erforscht wurde und es eine Vielzahl an Literatur dazu gibt, welche auch für Laien gut verständlich und nachvollziehbar ist.
Ich konnte es irgendwann nicht mehr ertragen, dass ich mich immer auf Männer eingelassen habe, welche diese negativen Erfahrungen verstärken und mich unzureichend haben fühlen lassen, dass ich durch Vorgesetzte mit mangelnder Führungsqualität meine eigene Kompetenz als mangelhaft und schlecht eingestuft habe und diese negativen Gefühle sich auf mein Privatleben ausgewirkt haben.
Meine eigenen Verhaltensweisen, welche aus Erfahrungen entstanden sind, haben dies begünstigt und als ich das erkannt habe, habe ich mich dem Thema zum einen mit meiner Psychologin und zum anderen mit dem Buch „Das Kind in dir muss Heimat finden“ von Stefanie Stahl angenommen.
Es ist alles andere als leicht! Man denkt an Erlebnisse, welche schmerzhaft sind und an welche man nie wieder denken wollte, welche man vergessen wollte. Diese Aufarbeitung ist anfangs definitiv nicht frei von Tränen und Schmerz, aber sie lohnt sich! Denn irgendwann kommt auch die Erkenntnis. Die Erkenntnis, dass Du jetzt erwachsen bist und diese negativen Erfahrungen Dein heutiges Leben nicht mehr zu bestimmen haben. Die Erkenntnis, dass Du frei entscheiden kannst, welche Menschen positiv für Dein Leben sind und dass du die Menschen, die negative Gefühle in Dir auslösen, einfach vor die Tür setzen kannst!
Ich befinde mich derzeit an dem Punkt, an dem mein inneres Kind zwar immer noch da ist, wie eingangs beschrieben macht es sich in seltenen Momenten noch bemerkbar, aber ich habe jetzt jemanden an meiner Seite, der dies aushält, der mich in den Arm nimmt und mir die Geborgenheit schenkt, welche ich in diesen Momenten benötige.
Und für die überwiegenden leichten Lebensphasen war es wichtig, dass ich mit der Vergangenheit meinen Frieden geschlossen habe. Es war nicht immer alles schön. Aber wisst ihr was, mit diesem Frieden lebt es sich in der Gegenwart viel leichter und ist dies nicht das, was wichtig ist!? Auf die Vergangenheit haben wir keinen Einfluss mehr, aber den Augenblick können wir genießen.
Ihr seid nicht alleine! Alles wird gut!
